Die Stadt Wolfhagen, mit ihren ca. 13.000 Einwohnern, hat einen fast vollständig erhaltenen mittelalterlichen Fachwerkkern. Sie ist bundesweit Vorreiter für innovative Strategien im Stadtumbau im Einklang mit der energetischen Sanierung. Der Beitrag zur Fachwerk Triennale 2015 - Impulse aus der Wirtschaft" stellt die Bilanz der Modellstadt Wolfhagen im BMBF-Forschungsvorhaben „Energieeffiziente Stadt“ und den begleitenden Maßnahmen im Rahmen des Bund-Länder-Programms „Aktive Kernbereiche“ in den Mittelpunkt. Hierbei spielt die Kooperation mit privaten Partnern, insbesondere den Stadtwerken, eine zentrale Rolle. Im Rahmen der Fachwerk Triennale 2015 sollen
Von Diana Wetzestein*16. Oktober 2015_Wolfhagen.16. Oktober 2015_Wolfhagen. Diese Stadt hat die erste Ziellinie erreicht. Die Stadtwerke können Wolfhagen bis Ende diesen Jahres mit über 100 Prozent eigener regenerativer Energie beliefern. „Heute können wir temporär schon 75 Prozent des eigenen Strombedarfs selbst erzeugen“, sagte Bürgermeister Reinhard Schaake, während der Begrüßung in der Stadthalle. Dort wurden im Zuge der Fachwerk Triennale 2015 nicht nur die Aussichten Wolfhagens bis 2015 vorgestellt, sondern auch die Perspektiven für 2025 und sogar 2050 dargestellt. Christina Sager, Fraunhofer Institut für Bauphysik aus Kassel, dass allein die CO2-Emmissionen in Wolfhagen bis 2050 um mehr als 97 Prozent reduziert werden könnten, wenn weiterhin in energetische Sanierung, den Ausbau erneuerbarer Energiegewinnung und optimalerer Heizungsanlagen investiert werden würde.
Der Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e. V., Prof. Manfred Gerner, machte deutlich, dass Wolfhagen jetzt das nächste Ziel anstreben und ein Kompetenzzentrum für die energetische Sanierung in Fachwerkstädten vorantreiben solle. Eine organisierte Einrichtung, die sich mit Kompetenzfeldern wie Energie, Energiebeschaffung und –verbrauch sowie eines Kompetenzfeldes „Fachwerk und Sanierung“, darstellen kann, wäre wünschenswert. „Wir müssen die Gebäudesanierung in einer Fachwerkstadt in Zukunft immer mit der energetischen Sanierung kombinieren, weil wir Klima-, Umwelt- und Denkmalschutz gleichermaßen beachten müssen“, so Prof. Gerner, der klar machte, dass dafür kompetentes Personal vorhanden sein müsse und weitere Kooperationspartner zur Finanzierung gefunden werden müssten.
In kleiner Runde, mit 20 Gästen, wurde Bilanz gezogen, wie die Modellstadt im Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) „Energieeffiziente Stadt“ und den begleitenden Maßnahmen im Rahmen des Bund-Länder-Programms „Aktive Kernbereiche“ abschneiden würde. Dabei wurden die Zusammenarbeit der BürgerEnergieGenossenschaft Wolfhagen eG (BEG) und der Stadtwerke Wolfhagen GmbH als gelungene Kooperation für die Fachwerkstadt bewertet. „Allein die vier Windräder, die Ende 2014 ans Netz gingen, lieferten bis Ende August Strom für 9000 Dreipersonenhaushalte. Das sind 120 Prozent des eigenen Strombedarfs“, bestätigte Jana Schröder von den Stadtwerken Wolfhagen. „Allein die Umstellung der herkömmlichen Straßenbeleuchtung auf LED hat den Energieverbrauch dafür um 60 Prozent verringert, die Akzeptanz für Windräder ist durch das positive Ergebnis gestiegen“, so Jana Schröder. In ihrem Beitrag Energie für die Bürger, Energie durch die Bürger bestätigte sie, dass Ende des Jahres das Ziel den Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, für Wolfhagen erreicht würde.
Die Energiewende wäre für Wolfhagen damit erreicht. Hinter dem Modell stand zunächst die Umwandlung des Eigenbetriebes Stadtwerke in eine GmbH als 100-prozentige Tochter der Stadt. Dem Rückkauf der Stromnetze im Stadtgebiet folgte der Aufbau der Stadtwerke zum überregionalen Versorger für Strom, Gas und Wasser. Für Michael Joost, Abteilungsleiter im Bauamt – Energie und Stadtentwicklung, ist überzeugt davon, dass sich die Stadt selbst helfen und bewegen musste. „Wenn das Wörtchen WIR nicht wär, ging in den Kommunen gar nichts mehr“, wandelt er ein Sprichwort ab. Die Gründung der Stadtwerke Wolfhagen GmbH nannte er die Initialzündung, aber auch die Einrichtung der Umweltstiftung Wolfhagen sei ein wichtiger Schritt gewesen. „Wir sind in viele intensive Gespräche mit den Eigentümern der Fachwerkimmobilien eingetreten, allein acht Vollsanierungen von Fachwerkhäusern haben wir in der Altstadt mit Fördergeldern von bis zu 20.000 Euro unterstützt“, so Dipl.-Ing. Joost. Zukunft könne man nicht bauen, Zukunft gehe nur mit dem Bürger, war sein Resümee.
Das bestätigt auch die Situation des Energieversorgers Stadtwerke Wolfhagen GmbH. Dieser gehört zu drei Vierteln der Stadt, ein Viertel der Anteile sind im Besitz der BEG mit heute 800 Bürgern, die über drei Millionen Euro an Kapital dafür gestellt haben. Ein Genossenschaftsanteil kann nur zeichnen, wer auch Stromkunde des regionalen Energieversorgers ist. Der Strom wird durch Wasserkraft-, Windkraft-, Solar- und Photovoltaikanlagen erzeugt, die Kunden sind die Bürger Wolfhagens, der Überschuss wird weiterverkauft.
Es sind „Impulse aus der Region“, die Peter Nissen, Servicezentrum Regionalentwicklung des Landkreises Kassel in seinem Vortrag aufgriff. „Wir brauchen Gesamtstrategien, wenn wir lebendige Ortskerne behalten wollen“, sagte er in Hinblick auf die Leerstandsproblematik in Fachwerkdörfern und die Prognose, dass im Jahr 2030 bereits 60 Prozent aller Einwohner zwischen 80 und 109 Jahren alt sein sollen. Das Servicezentrum würde darum nach angepassten Lösungen suchen, wie vor Ort mit der Herausforderung umzugehen sei. Auf der Internetplattform www.landstaerken.de sind Zukunftskataster sowie Sanierungsbeispiele zu finden. Peter Nissen plädierte dafür, die Beratung und Gespräche auch auf der Ortsebene weiter auszubauen, Finanzielle Anreize zu geben und Rahmenbedingungen zu schaffen. „Auch in den Ortschaften müssen ganzheitliche Entwicklungen im Fokus stehen“, so Nissen.
Dafür braucht es Masterpläne für Projekte, bei denen Bürger und Unternehmen zusammen arbeiten. Dabei muss klar hervorgeht, wie Aufgaben verteilt werden und die Verantwortung liegt. Als geeignetes Trägermodell als Instrument für die Umsetzung eines Masterplanes, stellte der Rechtsanwalt Martin Bonow, EuRePro aus Kassel die „Unselbstständige Stiftung“ vor. Sie sei kostengünstig, flexibel, autonom und unbürokratisch. Bei geringem Anfangskapital, könnten über Spenden und Fördergelder weiteres Kapital generiert und investiert werden. „Die Gewinne fließen immer in die Projekte, die Beteiligungen dienen nicht dem Kapitalgewinn“, so Rechtsanwalt Bonow. Zudem könne die Stiftung im Rahmen der Quartiersentwicklung als gemeinnützig anerkannt werden. Da sie voll handlungsfähig sei, könne sie Förderanträge stellen, Bankfinanzierungen und Bauleistungen vermitteln, eigenes Vermögen erwerben und verwalten.
Der Geschäftsführer der ADF, Dr. Dirk Richhardt, sprach sich zum Ende der Veranstaltung noch einmal für gute Kommunikation mit den Bürgern aus. Masterpläne und die richtige Trägerschaft für weitere Projekte müssten richtungsweisend umgesetzt werden. „Wolfhagen hat viel erreicht. Die Erwartungen an Wolfhagen werden weiterhin sehr hoch sein“, sagte er. Es dürfe auf gar keine Fall zu einem Abbruch in den Anstrengungen kommen, so Dr. Richhardt, denn dann würde es schwer, die Bürger wieder für gute Projekte zu gewinnen.
„Wir haben die Aufgabe, die Ergebnisse zu verstetigen. Ein Kompetenzzentrum könnte bis zur Fachwerk Triennale 18 diskutiert und vorbereitet werden“, sagte Dr. Uwe Ferber, Projektgruppe Stadt + Entwicklung aus Leipzig und Moderator der Veranstaltung am Ende des Tages. „Sie haben jetzt alles, was sie dazu brauchen“, gab Prof. Gerner mit auf den Weg.
*Fotos unter: galerie.fachwerkagentur.de
Reinhard Schaake, Michael Joost
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