Schiltach, mit 3.850 Einwohnern am Zusammenfluss von Schiltach und Kinzig, wird auch als Stadt des Fachwerks der Gerber und Flößer bezeichnet. Sie liegt an einer der engsten Stellen des Kinzigtales im mittleren Schwarzwald. Die Altstadt von Schiltach ist in dieser Region eines der seltenen Beispiele einer dem Wesen nach noch erhaltenen mittelalterlichen Fachwerkstadt. Die Aufwertung der historischen Gebäudesubstanz in topographisch schwieriger Lage - gerade auch im energetischen Bereich - ist die Grundlage dafür, dass der Altstadtbereich mit Leben gefüllt und somit liebenswert bleibt.
Aufgrund der besonderen Situation des denkmalgeschützten Altstadtbereiches, mit Einschränkungen in Bezug auf erneuerbare Energien, Wärmeschutz, vorhandenen Nachtspeicherheizungen, startet die Stadt für den Altstadtbereich eine Initiative zur energetischen Quartierssanierung. Unterstützt wird diese durch die Teilnahme am KfW Programm „Energetische Stadtsanierung“ und der vorgesehenen späteren Installation eines Gebäudemanagers. Gesucht werden bautechnische und stadttechnikbezogene Maßnahmen zur effizienten Wärme- und Stromnutzung sowie Wärme- und Strombereitstellung unter Beachtung der besonderen bau- und stadtstrukturellen Gegebenheiten. Dies sollen in mit Eigentümern und privaten Partnern durchgeführt werden.
Von Diana Wetzestein*5. Oktober 2015_Schiltach. In dieser Stadt gibt es ausreichende Wege, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Das ist das Fazit der Fachwerk Triennale Veranstaltung, die in den Räumen der Aquademie der Firma Hansgrohe stattfand. Bürgermeister Thomas Haas begrüßte 20 Gäste, darunter den Präsidenten der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e. V. aus Fulda, Prof. Manfred Gerner, den Vertreter des Projektbüros Stadt + Entwicklung aus Leipzig, Paul Dämpfert sowie Handwerker, Bauamtsleiter, Architekten und Referenten zu einem interessanten Austausch über die Möglichkeiten, wie die Stadt an der Kinzig unter dem Thema „Energetische Erneuerung einer Fachwerkstadt“ zu betrachten ist.
„Der Klimaschutz geht alle an, auch die Eigentümer von Fachwerkbauten und massiven Baudenkmalen“, sagte Prof. Manfred Gerner eindringlich. Angelehnt an den bekannten Slogan des Denkmalschutzes plädierte er für eine Ausgewogenheit zwischen Denkmalschutz und Klima-, beziehungsweise Umweltschutz. Diese lägen in ihren Zielen eng beieinander. Bei der praktischen Umsetzung der Klimaschutzziele brauche die historische Fachwerkstadt zuerst einmal ein Klimakonzept, das auf die Erhaltung jedes einzelnen Fachwerkgebäudes und der historischen Fachwerkstadt insgesamt eingehe, so Gerner. Dabei sei die gute Zusammenarbeit von Stadt, Unternehmen, Energieberatern, Handwerkern und Bauherren wichtig. Die Weiterbildung zum Energieberater Denkmal müsse unterstützt werden, denn die Nachfrage nach diesen Fachberatern ist ungebrochen hoch, aber nur 1000 sind deutschlandweit zu finden.
In seinem Vortrag über die Herausforderung „Klimaschutz in Fachwerkstädten“ merkte er an, dass in Deutschland rund 40 Prozent des Energieverbrauches und etwa ein Drittel der CO2-Emissionen auf die Gebäude entfielen. „Die Einsparung von Energie bietet also großes Potential, die Klimaschutzziele zu erreichen“, so Gerner. Der Energieberater für Baudenkmale und Niederlassungsleiter der Energie Agentur, Schwarzwald-Baar-Kreis aus Donaueschingen, Tobias Bacher, bestätigte dies. In seinem Vortrag über Energiekonzept für Fachwerkstädte stellte er heraus, dass durch moderne Heiztechnik und die Dämmung der Gebäudehülle viel mehr Klimaschutz erreicht werden könne. „In der historischen Altstadt braucht es individuelle Lösungen, damit die Altbausubstanz erhalten und sichtbar bleibt“, sagte er. Der Energieberater nannte als Inhalte eines Energiekonzeptes unter anderem auch das Leitbild einer Fachwerkstadt und den Denkmalschutz. Das Konzept müsse dann durch einen Ansprechpartner vor Ort weiter begleitet werden, damit die Bürger einen kompetenten Ansprechpartner bekommen.
Schiltach nimmt seit 40 Jahren Fördermaßnahmen der Städtebausanierungsprogramme Baden-Württembergs in Anspruch. „Man sieht es der Stadt an. vor allem in den 70er und 80er Jahren wurde viel saniert, hier sind jetzt wieder Sanierungsmaßnahmen nötig. Uns fehlt es an zeitgemäßen Wohnraum“, sagte Bürgermeister Haas. Die Nachfrage nach modernem und barrierefreiem Wohnraum in der Stadt steige, trotz ständiger Bemühungen seitens der Stadt seien zudem Parkplatzprobleme noch nicht gelöst, die Versorgung mit schnellem Internet und alternativen Energieträgern stehen ebenfalls auf der Agenda. Mit dem Unternehmen Hansgrohe hat Schiltach einen starken Partner aus der Wirtschaft und wichtigen Arbeitgeber vor Ort. Weitreichende Stadtumbaumaßnahmen mit diesem Unternehmen abzustimmen, ist in der Stadtverwaltung eine Selbstverständlichkeit. Eine Mitwirkungsbereitschaft seitens Hansgrohe erhoffte man sich auch bei der Frage, ob ein Nahwärmenetz für Schiltach eine Alternative zu den Nachtspeicherheizungen in der historischen Altstadt sein könnte. Dort konnte jedoch kein Schulterschluss erreicht werden, da das Unternehmen momentan ein anderes Energiekonzept umsetzt. Und auch bei der Bürgerschaft stellte sich aufgrund einer Befragung der Wunsch nach einem Nahwärmenetz noch nicht ein.
Diese Befragung war Teil des Auftrages seitens der Stadt an Steffen Niehues, Architekt und Stadtplaner der LBBW Immobilien Kommunalentwicklung GmbH (KE). Beauftragt war die Erstellung eines Klimaschutz- und Quartierskonzeptes für die Stadt Schiltach, das von der LBBW, im Rahmen des KfW-Programms 432 „Energietische Stadtsanierung“, die Energieeffizienz der Gebäude und Infrastruktur auf Quartiersebene darstellen sollte. Gemeinsam mit der badenova AG & Co. KG zielte das Konzept auf eine größere Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern, Energiekosteneinsparung und Aufwertung der Stadtmitte als attraktiver Wohnstandort ab. Untersucht wurden ein Quartierskonzept und die Idee eines Nahwärmenetzes.
Untersuchungsgebiet war die Altstadt mit 191 Gebäuden, darunter 97 unter Denkmalschutz stehende Gebäude. „98 Prozent der Gebäude dort wurden vor Inkrafttreten der zweiten Wärmeschutzverordnung gebaut und haben großen energetischen Sanierungsbedarf“, so Niehues. Ein durch LBBW erarbeitetes Energieeffizenztool zeigte zudem, dass 50 Prozent des heutigen Wärmebedarfs im Untersuchungsgebiet durch eine Komplettsanierung eingespart werden könnten. 28 Prozent CO2-Einsparpotential gebe es demnach. Der Austausch von Heizöl-und Stromheizungen hin zu Erdgas-Brennwert habe zusätzliche 18 Prozent CO2-Einsparpotential zur Folge. Vor allem die Umstellung der Energieträger und Anlagentechnik sei entscheidend.
Dass ein Nahwärmenetz vielleicht doch auch ein Gewinn für die Stadt Schiltach, den Betreiber und die Hauseigentümer sein kann, machte der Vortrag des Ingenieurs für Energietechnik, Wolfgang Schuler aus Bietigheim-Bissingen, deutlich. Mit seinem Ingenieurbüro hat er bereits über 500 Anlagen realisiert, darunter 120 Nah- und Fernwärmeanlagen, 150 Holzheizungen und 222 Blockheizkraftwerke. An den Beispielen aus Altensteig und Marbach am Neckar stellte er zwei Nahwärmekonzepte vor, die für historische Gebäude und die Gegebenheiten in historischen Altstädten aus seiner Sicht gut geeignet sind. Die Leitung führe direkt zur Wärmeübergabestation, die einen Warmwasserspeicher betreibt. Der Heizkessel entfällt, was die Investition für den Hauseigentümer günstig macht. „Das Netz sollte der Stadt gehören, die es verpachtet, dadurch gibt es mehr Fördermöglichkeiten“, so Schuler, der das eine Win-Win-Win-Situation nennt, weil es auch Klimaschutz ist.
Dass die Optimierung von Heizmedien, Leitungsführungen und Technik bereits Beiträge zum Klimaschutz darstellen, ist nachweisbar. Prof. Gerner sprach zudem davon, dass die Energieeinsparverordnung (EnEV) für Heizkostenreduzierung und ein behagliches Wohn- und Arbeitsumfeld sorge. Bei größeren Sanierungsmaßnahmen seien jedoch neue U-Werte gefordert, deren Erfüllung aber vielfach technisch nicht möglich und niemand gezwungen sei, alle Forderungen zu erfüllen und dadurch die Fachwerkhäuser „kaputt zu dämmen“, wies er auf die jeweiligen Landesverordnungen, Befreiungs-, Ausnahme- und Härteklauseln hin, die hier hilfreich angewendet werden können.
Prof. Gerner riet zu einem Abwägen aller Anforderungen aus Nutzung, Stadtgestaltung, Denkmal- und Wärmeschutz, Feuchteschutz, Schall- und Brandschutz. Die U-Wert- und Tauwasserberechnung müsse für alle Wände einzeln vorgenommen werden. „Der erste Zentimeter dämmt am besten“, sagt er und dass bei einer Wand mit einem ursprünglichen U-Wert von 2,2 bei zwei Zentimetern Dämmung bereits der Wert 1,0 erreicht werden könne. Das Resümee des Fachmanns am Ende der Veranstaltung war, dass sich durch eine sinnvolle Dämmung der historischen Fachwerkhäuser und eine moderne Heiztechnik in Schiltachs Altstadt noch viel Klimaschutz umsetzen lässt.
Achim Hoffmann
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